Interview mit Ing. Dieter Schlüter
Thema: Schlüter Heli-Baby
Einleitung: In ROTOR 12/2007 berichteten wir über die Firma minicopter,
deren Inhaber – Gerd Guzicki, mit dem wir in gleichem Beitrag auch ein Kurz-
Interview führten – sich an den Nachbau des legendären Schlüter Heli-Baby
herangewagt und zwischenzeitlich erfolgreich fertiggestellt hat. Die recht
ungewöhnlichen Beweggründe, so ein altes Schätzchen wieder erfolgreich zu
neuem Leben zu erwecken, veranlassten uns, mit Dieter Schlüter, dem
Konstrukteur und Hersteller des Heli-Baby, ein wenig über die alten Zeiten
und das Original zu sprechen.
ROTOR: Herr Schlüter, im Frühjahr 1975 wurde mit dem Erscheinen Ihres
ersten Heli-Baby die Ära der kleinen R/C-Hubschrauber eingeläutet. Können
Sie sich noch an die Beweggründe damals erinnern, die Sie dazu
veranlassten, so einen für damalige Verhältnisse relativ kleinen Heli mit 1
Meter Rotordurchmesser zu entwickeln?
DIETER SCHLÜTER: Ja, das waren seinerzeit – um ehrlich zu sein –
vorwiegend kommerzielle Gründe. Ich wollte einen preiswerten und gut in
größeren Stückzahlen zu fertigenden Hubschrauber anbieten aber auch eine
schon länger vorhandene Idee auf dem Markt testen:
Eine freitragende und völlig offene Mechanik ohne Rumpf.
Dabei machte mir allerdings der lange, nur aus einem Rohr bestehende
Heckausleger optisch zu schaffen. Der war zwar herrlich einfach aber der
lange Stiel gefiel mir nicht bei einem „großen“ Hubschrauber.
Also entwarf ich ein kleineres Modell mit einer kugeligen Kanzel mit einem
sichtbaren Piloten und einem kürzeren Heckrohr. Und als alle zum Prototyp
sagten: „Das kleine Baby sieht so richtig schnuckelig aus“ war die
Entscheidung zur Schlüter-Neuheit 1975 gefallen: „Heli-Baby“.
ROTOR: Wenn ich mich recht erinnere, erzählten Sie uns mal, dass die
Konstruktion des Heli-Baby schon viel früher bei Ihnen in der Schublade lag,
Vertriebsgründe jedoch das Projekt zuerst einmal bremsten.
SCHLÜTER: Das ist richtig und dazu gehört eine kleine Vorgeschichte:
Mich störte in der Anfangszeit bald, dass die einzelnen Komponenten der
Mechanik unabhängig voneinander in einen GFK-Rumpf eingebaut werden
mussten. Die Mechanik war zwangsläufig auf einen stabilen Rumpf
angewiesen und bei jedem Bruch war die Reparatur des Rumpfes das
vorrangige Problem. Das war ärgerlich und zeitraubend und der Rumpf wurde
ausserdem bei jeder Reparatur schwerer. Dazu kam, dass ich immer nur so
viele Modelle verkaufen konnte wie meine Zulieferer Rümpfe anfertigten. Das
war ein ewiger Engpass und eine enorme Umsatzbremse. Also knobelte ich
schon bald an einer Konstruktion, die alle Mechanikteile miteinander
selbsttragend verbindet.
Das Ergebnis waren die zwei bekannten miteinander verschraubten Aluplatten
die unten das Landegestell, darüber den Motor mit Getriebe und oben die
Rotorlagerung verbanden. Der Heckausleger konnte ein einfaches Rohr mit
innen liegendem Antrieb sein und generell konnte man bei dieser Bauweise
auf einen Rumpf ganz verzichten. Das gefiel mir ausnehmend gut, ich wollte
so bald wie möglich so einen Hubschrauber herstellen.
Aber da kam eine gewaltige Bremse:
Unerwartet stornierte mein Vertriebspartner Hegi im Herbst 1973 dreitausend
fest bestellte und bei mir und meinen Zulieferanten in Arbeit befindliche
Bausätze der „Bell Huey Cobra“ und der „DS-22“. Da saß ich nun auf diesen
dreitausend Bausätzen. Die musste ich jetzt erst mal los werden, baute
passend für diese Mechaniken noch schnell den Rumpf der „Gazelle“,
organisierte wieder meinen eigenen Vertrieb und bot alles auf der Nürnberger
Spielwarenmesse 1974 dem Fachhandel an. Das klappte auch, alle Bausätze
wurden verkauft, aber das „Heli-Baby“ musste natürlich bis zur nächsten
Messe Anfang 1975 warten. Wie das alles ablief steht ausführlich in meinem
Buch „Die Geschichte des Modellhubschraubers“.
ROTOR: Was machte das Heli-Baby Ihrer Meinung nach zu so einem
Verkaufsschlager? War es eher der damals relativ niedrige Preis, die
Wartungsfreundlichkeit der offenen Konstruktion oder eher seine
Flugstabilität, die es so beliebt machten?
SCHLÜTER: Es war wohl eine Kombination von allem. Die offene und
einfache Bauweise begeisterte, das Modell war in wenigen Stunden flugfertig
zusammengebaut, der langwierige Rumpfbau entfiel völlig, das kleine Ding mit
der kugeligen Kabine gefiel allgemein, das Ganze war auch noch relativ
preiswert und außerdem war ein Bruch schnell repariert. Und geflogen ist das
„Baby“ auch ganz prima – zumindest für damalige Ansprüche.
ROTOR: Ihr Heli-Baby war der weltweit erste Modellhubschrauber mit einem
selbsttragenden, zweiteiligen Chassis. Ein Konstruktionsprinzip, das heute
nach wie vor bei den meisten Heli-Systemen aktuell ist. War das seinerzeit für
Sie persönlich am Heli-Baby auch die herausragendste technische Neuerung
gegenüber z.B. der legendären Bell-Huey Cobra oder entwickelten Sie am
Heli-Baby noch andere Dinge, die für Sie bzw. Folgekonstruktionen von
Bedeutung waren?
SCHLÜTER: Wie eben schon gesagt war die freitragende Bauweise die
entscheidende und wichtigste Neuerung überhaupt. Das Konstruktionsprinzip
mit den Seitenplatten und den dazwischen geschraubten Teilen der Mechanik
war genial. Auch der Abstand der Seitenplatten von 20mm war optimal
gewählt denn viele käufliche Materialien waren in der Abmessung von 20mm
zu haben. Dazu kam, dass es 19mm-Lager mit einem Innendurchmesser von
5,6,7,8 und 10mm Durchmesser gab und diese prima in einem einheitlichen
20x20mm-Lagerbock zwischen die Platten passten. Auch ein passendes Rohr
für den Heckausleger gab es aus Aluminium in 20mm Durchmesser und 1mm
Wandstärke. Diese Wahl der Abmessungen war für nachfolgenden Konzepte
sehr vorteilhaft denn viele Bauteile konnten in anderen Konstruktionen wieder
verwendet werden.
ROTOR: Worin genau unterschied sich die Nachfolge-Version Heli-Baby II
vom normalen Heli-Baby? Und können Sie uns dann auch etwas über die
technischen Ausstattungen des 1976 erschienenen Super-Heli-Baby
erzählen?
SCHLÜTER: An die Unterschiede zwischen Heli-Baby eins und zwei kann ich
mich nicht mehr genau erinnern, das ist ja über dreißig Jahre her ... so lange
liegt das schon zurück, man kann’s kaum glauben ... Aber das „Super-Heli-
Baby“, das war die logische Ergänzung des Heli-Babys mit einem Rotorkopf
mit kollektiver Blattverstellung. Bei diese Konstruktion wurde erstmals eine
geschlitzte Hauptrotorwelle eingesetzt in deren Schlitz ein Gestänge lief, das
oberhalb der feststehenden Taumelscheibe die kollektive Blattverstellung
beimischte. Da es zu dieser Zeit weder Stabilisierungskreisel für den
Heckrotor noch Fernsteuerungen mit Mischmöglichkeiten gab, musste ein
mechanischer Ausgleich für den Heckrotor konstruiert werden. Abgesehen
vom manchmal schwierigen Herausfinden der richtigen Einstellung
funktionierte das ganz gut und das Heli-Baby wurde damit ganz schön
lebendig. Eben ein „Super-Heli-Baby“
ROTOR: Zum Thema Flugeigenschaften des Heli-Baby: Gibt es hier aus
Ihrem reichen Erfahrungsschatz lustige oder auch nicht so lustige
Begebenheiten zu berichten? Hatte das Heli-Baby besondere bzw. markante
Eigenheiten? Der Rundriemen zum Heck war ja nicht unbedingt bei allen
Piloten so beliebt…
SCHLÜTER: Als das Baby mal herangewachsen war, da hatten viele
Modellpiloten und auch ich viel Spaß aber als das Baby laufen lernte gab es
eine nicht so lustige Begebenheit an die ich mich sehr genau erinnere. In
meinem Buch „Die Geschichte des Modellhubschraubers“ habe ich das
anfängliche Problem mit dem Heckrotorantrieb genauer geschildert. Ich hatte
einen im Heckrohr verlaufenden Antrieb mit einem Rundriemen entworfen, auf
einem Prüfstand und später in den Prototypen ausgiebig getestet. Alles prima,
fast genial, einfach, leicht, wenig Teile. Leider entsprachen die dann vom
Hersteller für die Serie gelieferten Rundriemen nicht der Testqualität. Diese
Riemen wurden warm, dehnten sich, rutschten durch. Ein absolutes Dilemma
denn die ersten rund fünfhundert Baukästen waren verkauft und das getestete
Riemenmaterial gab es auch nicht mehr. Also Konstruktionsänderung, neue
Riemenräder für einen Flachriemen, fünfhundert Ersatzlieferungen und
intensive und schwierige Imagepflege fürs Heli-Baby und den Riemenantrieb.
Hätte es damals die heute üblichen, wunderbaren kleinen Zahnriemen
gegeben wäre das anders gelaufen ....
ROTOR: Apropos Flugeigenschaften: Kam nicht auch zu jener Pionierzeit ein
von Ihnen entwickelter Heli-Trainer auf den Markt? Beschreiben Sie uns doch
mal bitte diese Konstruktion.
SCHLÜTER: Das Heli-Baby wurde mit einem gelenkigen Bügel am oberen
Ende einer senkrecht in einem Rohr geführten Welle kardanisch befestigt. So
stand das Modell „gefesselt“ auf einer Plattform und beim Abheben, also beim
Gasgeben, zog sich die Welle aus der Führung heraus. Mit der Motordrehzahl
– später mit dem Pitch – regulierte man die Höhe, also wie weit sich die Welle
aus der Führung heraus bewegte. Gleichzeitig lernte man die
Heckrotorsteuerung indem man versuchte, das Modell in einer Richtung zu
halten. Zusätzlich konnte man das Modell nach allen Seiten neigen und so ein
Gefühl für die zyklische Blatteinstellung bekommen. Ein richtiges
„Fliegenlernen“ war das natürlich nicht aber doch für damalige Verhältnisse
eine Möglichkeit, mal was ohne Bruch zu probieren.
Heute gibt ungemein realistische Computer-Trainingsprogramme und ich finde
es immer wieder toll, wie schnell da bei einem Crash der Heli wieder heile ist.
Zur Heli-Baby-Zeit gab es noch keine Personal-Computer und jeder Bums war
teuer und kostete Arbeit und Zeit und Durchhaltevermögen. Da war so ein
Heli-Trainer nicht verkehrt.
ROTOR: Kann man behaupten, dass das so populär gewordene System 80,
erschienen Anfang 1977, mit der Einführung der Bell 222 letztendlich eine
konsequente Weiterentwicklung des damals mit dem Heli-Baby
eingeschlagenen Konstruktionsweges war?
SCHLÜTER: Ja, absolut. Das war ja gerade das schöne an der Heli-Baby-
Konstruktion, dass man viele Teile vielfach verwenden konnte. Alles baute auf
der ja nicht nur für das Heli-Baby gewählten Konstruktion auf. Alles passte in
das 20mm breite Chassis und wenn es mal nicht so recht passen wollte, dann
wurde es passend umkonstruiert. Ob das nun die Kühlluftführungen waren,
oder die Motoraufhängung, oder die Kabinenform, oder, oder, oder, alles
musste irgendwie zusammen passen und daraus entstand dann fast
zwangsläufig das „System 80“. So passte auch der von mir damals
konstruierte Motorstart mit einem von oben auf einen Konus zu drückenden
Elektroanlasser bestens in das System.
ROTOR: Und dann kam ja schließlich irgendwann in den achtziger Jahren Ihr
Mini-Boy auf den Markt, der auch erfolgreich von den Endverbrauchern
angenommen wurde. War das für Sie so eine Art Hommage an das Heli-Baby
oder sahen Sie einfach seitens der Kundschaft das Verlangen nach
Kleinhubschraubern?
SCHLÜTER: Das war weitgehend ein Kundenwunsch, speziell in den USA.
„Passt hinter den Rücksitz eines Honda Civic“ war seinerzeit der Slogan und
so baute ich also den Mini-Boy zumal ich auch hier vieles aus den früheren
Modellen übernehmen konnte. Das war auch wichtig denn der Preisdruck
wurde größer. Schließlich wollten der Importeur und dann seine Händler was
verdienen und bei mir sollte auch etwas Gewinn hängen bleiben.
ROTOR: Was sagen Sie zur derzeitigen Entwicklung des R/C-Helikopter-
Markts? Einige markante Begriffe seien hier noch kurz eingeworfen: Mini-
Indoor-Koaxialhubschrauber, elektronische Fluglageunterstützung, Elektro-
und Turbinenantrieb allgemein, 2,4-GHz-Fernsteuertechnologie usw.
SCHLÜTER: Was soll ich dazu sagen? Wenn ich den „ROTOR“ so studiere
dann kann ich nur den Kopf schütteln. Nicht aus Ablehnung oder
Unverständnis sondern aus Verwunderung: Was es da so alles gibt, wie sich
der Helimarkt entwickelt hat, wer sich da alles tummelt, wer da neues erfindet
und wiedererfindet, und was da alles als Selbstverständlichkeit angesehen
wird. Die Entwicklung ist einfach grandios.
Vor achtundreißig Jahren – meine Güte ist das lange her – bei meinen ersten
gelungenen Flügen war ich mir sicher, dass das Hubschrauberfliegen viele
begeistern wird und in den folgenden Jahren wurde mir auch klar, dass ein
großer Markt und viele Neuheiten entstehen würden. Aber dass meine
durchgehende und verdrehbare Stabistange mit den Steuerflügeln, meine
Bell/Hiller-Mischung und mein Seitenplattenchassis heute immer noch
Standard sind, habe ich denn doch nicht erwartet.
Zu Ihren Stichworten:
Die kleinen Indoor-Koaxhelis sind ein nettes Spielzeug und machen Spaß,
wer daran seine Freude hat o.K., aber sie sind nach kurzer Zeit langweilig.
Die elektronische Fluglagenunterstützung würde kommen, das war mir klar,
das ist auch eine effektive Hilfe wie schon lange die Heckrotorstabilisierung
und sicher werden diese Techniken auch zunehmend verwendet werden. Das
ist nun mal die Entwicklung. Genau wie der Turbinen- und der Elektroantrieb.
Vor allem letzterer wird Zukunft haben denn wie sich beim PC die
Speicherkapazitäten von Kilo auf Mega und Giga entwickelten werden sich die
Energiespeicher und Wirkungsgrade für Elektrohelis steigern.
Eines Tages wird es wahrscheinlich auch fliegende Untertassen, Ufos,
schwebende Raumfahrzeuge und Modell-Satelliten geben und auch
Menschen, die sich das leisten können und daran Spaß haben.
Vielleicht gibt es dann neben „ROTOR“ auch noch „UFO“ oder „SATELLIT“..,
ROTOR: Welche Art von Hubschrauber würden Sie einem Einsteiger
empfehlen, um ihm mit Ihrem Tipp einen seriösen Start in dieses wundervolle
Hobby zu erleichtern? Wäre das eher ein reiner Bausatz oder ein
vormontiertes, flugbereit eingestelltes Modell? Und dann welche Größe?
Klassische 1,5 Meter Rotordurchmesser oder eher kleiner?
SCHLÜTER: Da fragen Sie mich zuviel. Das Angebot ist mittlerweile so
vielseitig dass ich es selbst nicht mehr überblicke. Sicher fliegen heute alle
Helis ganz ordentlich aber ob jemand mit einem bestimmten Fabrikat oder
einer speziellen Bauweise klar kommt kann er nur selbst durch probieren
herausfinden. Wichtig wird sicher nach wie vor sein, dass eine qualifizierte
Hilfe zur Verfügung steht, speziell ein Händler da ist der nicht nur verkauft
sondern auch danach unterstützt und hilft. Das ist um so wichtiger als heute
die elektronischen Bauteile zwar toll und enorm hilfreich sind aber die ganzen
Möglichkeiten und das richtige Programmieren oftmals auch überfordern. Wer
da kein Unterstützung bekommt hat schlechte Karten.
Bei der Frage, wie der Einsteiger beginnen sollte, tendiere ich mehr zum
fertigen und eingeflogenen Modell mit Lehrer/Schüler Hilfe und vorher
reichlichem Training am PC-Programm. Der Einsteiger sollte erst mal Spaß
haben und in die Luft kommen. Spätestens beim ersten Crash wird sich
zeigen, ob er Durchhaltevermögen und weiterhin Spaß hat. Wenn nicht, hat er
wenigstens den Umsatz der Branche bereichert und irgend jemand freut sich
bei „e-bay“ über ein Ersatzteil-Schnäppchen. Repariert er selbst dann steigt er
automatisch immer tiefer in die Materie ein und wenn er dann immer noch
weiter macht, dann gehört er langsam zum Team und wird den Helivirus nicht
so leicht wieder los. Wenn er dann auch noch die Basistechnik verinnerlicht
und Fachbücher studiert, dann gehört er zu uns, zu den Experten, die nicht
immer alles wissen und stundenlang über ein Themen diskutieren können.
Eines aber weiß ich mit Bestimmtheit:
Egal wie und mit welchen Erfolg jemand in die Hubschrauber-Modellfliegerei
einsteigt: Wenn er nicht drei linke Hände hat dann wird er begeistert sein und
sich immer an das stolze Gefühl beim ersten gelungenen Rundflug erinnern.
ROTOR: Herr Schlüter, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch und
weiterhin alles Gute.
Schlüter: Danke auch meinerseits, weiterhin alles Gute für ROTOR und das ROTOR-Team
und Grüße an alle ROTOR-Leser.